Bau-Auslese Manuel Pestalozzi - Texte und Artikel über Architektur und das Bauwesen
Universitätsstrasse, Zürich, 24. Dezember 2010
Ich gebe es zu: Diese Bildsequenz entstand schon am schneefreien Abend des 22. Dezembers. Sie zeigt das Haus des Bäckes, welches das Jahr über ein absolut unscheinbares Dasein fristet. Über die Festtage hat es als "Glamour Girl" im Stadtraum seinen grossen Auftritt und erfreut gross und klein. Ich wünsche allen Freundinnen und Freunden dieser Website schöne Festtage und fürs neue Jahr alles Gute!
Seefeld, Zürich, 19. Dezember 2010
Auch im seefeldisierten (oder sich seefeldisierenden) Stadtquartier Seefeld liegt in sonntäglicher Pracht viel Schnee. Die Trauerweide schafft es, sich als abstrakte Skulptur in Szene zu setzen, das braun-orange Trauergehänge davor macht sich eigentlich ganz gut. Und ich besinne mich, dass ich es erlebte, wie man an unserer Strasse die erste Verkehrstafel aufstellte ("Parkieren verboten"). Ich war ein Kind und über diesen Modernisierungsschub sehr begeistert. Wie sich die Zeiten und Ansichten doch ändern!
Tobelhofstrasse, Zürich, 5. Dezember 2010
Die Stadt befindet sich im eisigen Griff des Winters. Viel Schnee ist gefallen, und die Farben halten sich zurück. Man erkundet die Welt wieder öfters zu Fuss anstatt per Velo. Der Wechsel der Jahreszeiten bringt auch einen Wechsel der Töne und der Perpektiven mit sich. Diese Joggerunterführung mitten im Wald würde ich bei wärmerem, besserem Wetter niemals durchqueren. Doch nun werde ich mit einem neuen Ausblick in die (weitgehend) weisse Landschaft belohnt.
Oberriet, 26. November 2010
Es ist kalt im St. Galler Rheintal, es liegt auch etwas Schnee. Aber auf der Bautafel für den Campus der Firma Jansen AG scheint die Sonne. Der spektakuläre Bau des Tessiner Architekten Davide Macullo soll das Firmenareal um einen markanten Akzent ergänzen. Ein Konferenzzentrum besitzt der Hersteller von Stahlprofilen bereits. Hier fand heute der 11. Jansen Architektentag statt. Wie zuvor ist es der Firma gelungen, einen interessanten Mix von Referenten einzuladen. Die Reise in die Ostschweiz hat sich gelohnt.
Bahnviadukt, Zürich, 7. November 2010
Um vom Hauptbahnhof im Limmattal per Bahn nach Oerlikon im Glatttal zu gelangen, bauten sie vor gut 100 Jahren einen Viadukt, der den Niveauunterschied überbrückt. In den Bögen wurden eben hippe Boutiquen eingerichtet, doch es gibt auch Durchgänge. Ja, der Viadukt ist eine Art urbaner Filter, und heute wird sein Verlauf zum Wanderweg und zur Flaniermeile.
Gargazon, 26. Oktober 2010
Kissenhorizont in Theiner's Garten Bio-Vitalhotel. Alle Materialien sind so natürlich wie nur menschenmöglich und der gesegnete Schlaf die Belohnung, die der Gast geniessen darf. Ich hab's nicht geprüft, nur besichtigt, im Rahmen einer kleinen Pressereise durch Südtirol. Aber ich glaub's gern. Beim Anblick drängte sich der Begriff "Wurstserie" von Fischli/Weiss ins Gedächtnis. Life imitates art?
Nantes, 16. Oktober 2010
Als Gast von Velux wurde ich nach La Rochelle geflogen und von dort nach Nantes chauffiert. Wir besuchten die neue École d'Architecture von Lacaton & Vassal im zentrumsnahen Entwicklungsgebiet Île de Nantes, die an einen Industriebau oder eine Parkgarage erinnert. Im Detail wenig berauschend, stellt dies eine simple bis grobe, nicht gerade gemütliche aber städtebaulich interessante Lösung dar. Man fragt sich, wie es im Winter in dieser Schule auszuhalten ist. Aber vielleicht kommen ja generall harte Zeiten auf uns zu, und dies ist der günstige Moment um anzufangen, sich zu aklimatisieren?
Arc-et-Senans, 7. Oktober 2010
Was man an einem einzigen Herbst-Ferientag von Zürich aus alles machen kann! Zum Beispiel einen Ausflug per Auto zur Saline von Chaux in der Franche-Comté. Wenn das Wetter so toll mitspielt wie heute, erlebt man dieses frühe Beispiel von Corporate Architecture als surreales Universum und Materie gewordener Traum eines phantasiereichen, mit Bildung versehenen Baukünstlers. Toll, dass sich solche Anlagen erhalten lassen, auch wenn sie abseits der grossen Touristenströme liegen.
Zürich, 3. Oktober 2010
In der Türleibung zum Küchenbalkon wurde weiter gebaut. Zum Glück duckte ich mich bei der ersten Berührung des unsichtbaren Kunstwerks reflexartig. Das Netz kann weiter seinen Zweck erfüllen und hält die Wohnung, die ich hüte, frei von Fliegen und Mücken. Die Spinnen lieben dieses Haus, und ich fasse das als ein Kompliment auf. Denn diese Tierchen machen sich nur bei angenehmem Klima breit. Ein Gesundheitsrisiko sind sie meines Wissens nicht.
Bellikon, 19. September 2010
Und nochmals ein frei stehendes Objekt unter blauem Sonntagshimmel. Der Pavillon bei der Rehaklinik zeigt, wie es hier baulich weitergehen soll. Es ist eine Art libeskindisch abstrahierte Bedürfnispyramide. Die Lage könnte für einen Bau dieser Art besser nicht sein: auf einer kleinen Plattform hoch über dem Freiamt und unmittelbar neben dem Haupteingang zur Rehabilitationsklinik. An diesem Sonntag sah ich auch noch ein Meer hinreissender weisser Plastic-Salatkappen im Furttal. Habe mich beim Sujet schliesslich aber doch für diesen Pavillon entschieden.
Neuheim, 12. September 2010
Das Rundhus steht am Rand dieser Zuger Gemeinde, hoch über der Sihl. Es taucht unverhofft hinter typischen Bauernhäusern am Horizont auf. Gebaut hat es, wie eine kurze Internetrecherche ergeben hat, ein Schreiner und Architekt namens Laurenz Iten für sich selbst. Die reine Form erinnert einerseits an John Lautners Chemosphere, im Kontext wirkt das Haus aber eher wie ein Wehrbau oder ein Fluchtturm. Eine interessante Erscheinung.
Fischingen, 21. August 2010
Einmal im Jahr muss es sein, dass ich mit dem Velo dieses schöne Kloster heimsuche. Jedes Mal beeindruckt mich die Anlage von Neuem. Völlig unverhofft taucht sie auf, eingebettet ins spätsommerliche Grün der bewaldeten Hügel. Besonders gefällt mir natürlich die geschwungene Stirnfassade des Seitenflügels, welche der ansonsten eher strengen Anlage Pfiff gibt.
Kraftwerk Eglisau, 1. August 2010
Das Kraftwerk, das die Glatt in den Rhein leitet, ist von den Gebrüdern Pfister und gehört zu den schönsten Industriebauten der Region. In der Mitte steht das Zollhäuschen, das seit dem Schengen-Abkommen nicht mehr betrieben wird. Mit dem Velo hat man freie Fahrt über dem donnernden Element. Dies ist ein gif-Animationsversuch und eine kleine Web-Gestaltungsübung.
Küsnacht, 18. Juli 2010
Dieses Katzentreppchen ist ein integraler Bestandteil der Architektur und schmückt die nackte Beton-Strassen-Fassade als plastisches Ornament. Für den Aufstieg braucht es Ausdauer und Schwindelfreiheit, es geht Nonstop ohne Erholungszone ins Attikageschoss. Schlüssel, Chip oder Badge braucht niemand. Ob ab und zu auch ein Waschbär oder ein hungriger Marder vorbeiguckt?
Zürich, 7. Juli 2010
Blick vom Küchenfenster auf den Prime Tower am frühen Morgen. Zwei Stunden später durfte ich an einem Presseanlass anlässlich der Aufrichte teilnehmen und die obersten Etagen des höchsten Hauses der Schweiz, entworfen von Gigon/Guyer, besuchen. Die Aussicht ist wirklich atemberaubend. Das Konzept mit der gefalteten Fassade überzeugt und lässt auf interessante Innenräume hoffen. An einem schönen Sommertag wie heute sollte sich die Fassade entfernen lassen können, das Klima auf den oberen, noch nicht verkleideten "Decks" war herrlich. Aufnahmen aus dem Prime Tower findet man hier.
Horw, 17. Juni 2010
In der HSLU experimentiert man auf dem Gebiet der textilen Fassaden mit sack- oder taschenähnlichen Elementen. Die Füllung könnte ein Dämmmaterial sein, Öffnungen liessen sich einsetzen. Es ist Zukunftsmusik, zeigt aber eindrücklich, dass bei der Gebäudehülle die Forschung nicht stillsteht. Allerdings ist beim Fassadenbau nicht mehr Hightech angesagt, sondern das zuverlässige Massenprodukt. Dies ergab die heutige Tagung der SZFF.
Zernez, 25. Mai 2010
Mit dem Velo ferienhalber über den Flüelapass zum neuen Nationalheiligtum, dem Nationalparkmuseum von Valerio Olgiati, ausgezeichnet mit dem Betonpreis 2009. In diesem spartanischen, doch edlen und sorgfältig detaillierten Gehäuse wohnt ein Pappdinosaurier, der Rauch ausstossen kann! Alles ist kindergerecht didaktisch korrekt aufgemacht (mit ausgestopften Tieren und so) und schon leicht abgegriffen. Die Diskrepanz zwischen Hülle und Inhalt könnte grösser nicht sein.
Bregenz, 6. Mai 2010
Open Space Diskussionsrunden im Kongress- und Festspielhaus anlässlich des Internationalen Symposiums Tri. Fachleute aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und aus Südtirol diskutieren über technische wie auch politisch-soziologische Fragen. Die Gruppen finden spontan zusammen, und es entspinnen sich tatsächlich anregende Unterhaltungen rund um das sehr weit gefasste Thema Nachhaltigkeit. Ich beobachte das als Pressevertreter und bin positiv überrascht.
EPFL, Ecublens, 28. April 2010
Ein Frühlingsausflug zum Rolex Learning Center von SANAA. Ich traf auf eine Welt für sich im No Man's Land. Boden und Dach haben Aufwerfungen und Löcher. Der Eingang befindet sich mittendrin, man muss untendurch, und die Betondecke reflektiert die hellen Flecke der Lichtungen. Ein spezielles, eindrückliches Erlebnis. Aber ist es mehr als eine "Folly"? Ich bin mir noch nicht ganz sicher. Mehr Fotos findet man hier.
Esslinger Dreieck, 11. April 2010
Bei der Endstation der Forchbahn, dem Aggomerationstram über den Pfannenstil, tut sich was. Die Überbauung enlang eines abstrahierten Bachbetts, ein gefeierter Entwurf des Teams um Prof. Angélil aus den 1990er-Jahren, wird fortgesetzt - ganz im Sinne des ursprünglichen Projektes. Das ist sehr erfreulich, denn es handelt sich um einen interessanten Beitrag an die zeitgemässe Planung in periurbanen Gebieten.
Domat/Ems, 23. März 2010
Besuch des Hauses mit Alterswohnungen des Architekten Dietrich Schwarz. Die Südfassade versah er mit Energie speichernden transluzenten Elementen. Der Bau wurde vor fünf Jahren in architektur+technik beschrieben, und wir stellten uns die Frage: Wie sieht es heute aus? Jetzt weiss ich’s: ganz gut. Und die Bewohner scheinen sich heimisch zu fühlen.
Pratteln, 2. März 2010
Rundgang im Aquabasilea. Das Herz der neuen Bäderwelt befindet sich unter einem riesigen Zeltdach. Der Entwurf stammt von Prof. Justus Dahinden. Hier können vergnügungs- und erholungshungrige Massen empfangen werden, die ein paar Stunden Ferien geniessen wollen. Die Wandtapete mit Tessiner-Motiv ist fotorealistisch, die Felsen und Liegestühle sind echt. Es fehlen nur noch die nackten Leiber.
Wallisellen, 20. Februar 2010
Dieser interessante, mit rostrot gestrichenen Latten gezimmerte Turm gehört zum neu entstehenden Werk- und Feuerwehrgebäude. Ob er nur ein Signal ist oder für die Brandwache verwendet wird? Dafür steht er auf dem tiefsten Punkt und am Rande der "Gemeinde mit den schönen Hanglagen“ eher ungünstig. Bei einer Umnutzung wäre er ein optimales Minarett. (just kidding!).
Attikageschoss bei Zürich, 6. Februar 2010
Unfreiwillige Kunst am Bau. Farbe, Form und Geräusch. Die vier roten Kessel passen zum Oberlicht wie Julia zu Romeo. Das Plasticquartett steht schon so lange hier auf dem Teppich, dass man von einer permanenten Liaison sprechen muss. Das Loch oben kommuniziert mit den Behältnissen unten: Plitsch, plitsch, plitsch ... Man ist williger Zeuge, lauscht und hofft, dass der Lift noch lange auf sich warten lässt
15. Januar 2010, Städte im Spielfilm
In einer Rubrik mit diesem Titel schrieb ich für Architektur & Technik von Januar 2007 bis Dezember 2009 insgesamt 36 kurze Aufsätze über grosse und kleine, junge und alte, wahre und falsche Städte rund um den Globus, die in Filmen eine bestimmte Rolle spielten – wie sie das ja auch in unserem Leben tun. Jetzt sind diese Beiträge hier zu lesen.
Horizont im Nebel, Reservoir bei Brütten, 1. Januar 2010
Mit diesem Horizont-Sujet als Ziel aufs Velo gestiegen. Dass die Sichtverhältnisse so schlecht sein würden, hatte ich nicht erwartet. Sie versinnbildlichen die aktuelle Situation aber ausgezeichnet. Auch die vagen Lichtpunkte passen gut ins Bild. Dahinter liegt irgendwo Winterthur. Ob das in meinem weiteren Leben eine Rolle spielen wird? Es wird sich wohl weisen.
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